Die Kommerzialisierung des Fußballs
Fußball ist in Deutschland die bei weitem beliebteste Sportart. Rund drei Millionen Amateurfußballer sind in fast 200.000 Vereinen bundesweit organisiert. Geld damit verdienen die allerwenigsten – zumindest nicht so viel, dass es zum Leben reicht. Nur rund 1.500 Fußballer können behaupten, dass sie ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Doch auch von diesen gibt es nur wenige, die nach ihrer Karriere, die irgendwo um das 35. Lebensjahr herum endet, nicht gezwungen sind, sich nach alternativen Einkommensquellen umzusehen. Kurz gesagt, der Fußball macht hierzulande nur sehr wenige Menschen reich. Diese dafür aber richtig. Der derzeitige Spitzenverdiener der Bundesliga – der polnische Superstar Robert Lewandowski vom FC Bayern München – erhält ein Jahressalär von knapp 20 Millionen Euro. Dabei sind Einnahmen aus Sponsorenverträgen noch gar nicht miteingerechnet.
Die Entwicklung der Gehälter
Das war natürlich nicht immer so. Bis zum Jahr 1950 gab es auch in der höchsten Fußballklasse keine Profispieler, und noch viele Jahre danach war das Gehalt bis zu einer Obergrenze gedeckelt. Als im Jahr 1963 die Fußballbundesliga gegründet wurde, wurde diese Grenze bei 500 DM pro Monat festgesetzt. Jeder Spieler der Weltmeistermannschaft von 1954 erhielt als Prämie 2.000 DM. Das war zwar damals, in einer Zeit, in der das durchschnittliche Einkommen eines vollzeitbeschäftigten Arbeiters zwischen 300 und 400 DM lag, eine Menge Geld, allerdings erscheint die Summe im Kontext deutlich vertretbarer als die Millionensummen von heute. Keinesfalls wurde diese Prämie damals als unethisch wahrgenommen. Es gilt auch zu bedenken, dass solche Summen zu dieser Zeit nur an absolute Spitzenspieler ausgeschüttet wurden, während heute ein durchschnittlicher Profi in der höchsten Spielklasse rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr verdient. Bei diesen Summen verwundert es kaum, dass die Entfremdung zwischen Fans und Spielern immer weiter zunimmt. Wenn heute schon ein mäßig begabter 17-Jähriger mit einem Beraterstab zu Gehaltsverhandlungen anreist, führt das in weiten Teilen der Fanszene natürlich zu Unverständnis. Doch muss sich jeder Fan den Vorwurf gefallen lassen, dass er diesen Wahnsinn mitfinanziert.
Die Bedeutung von Fernsehgeldern
Auch im Profifußball wird der Preis durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Ein Robert Lewandowski kann nur deshalb so viel verdienen, weil es Menschen gibt, die ihm dieses Gehalt bezahlen. Das Geld, welches die Vereine für ihre Gehälter ausgeben, wächst natürlich nicht auf den Bäumen. Der Löwenanteil davon stammt aus den Einnahmen der Übertragungsrechte der Spiele, die die Deutsche Fußball-Liga (DFL) regelmäßig mit den TV Stationen verhandelt. Auch hier begann alles mit sehr bescheidenen Summen. Da die Berichterstattung über die Bundesliga zunächst noch sehr spärlich war, und nur Zusammenfassungen der wichtigsten Spiele im Fernsehen übertragen wurden, waren diese Rechte in der Saison 1965/1966 nur 650.000 DM wert. Zwar stiegen diese Summen regelmäßig, den ersten signifikanten Sprung gab es aber erst 1988, als das Privatfernsehen ins Bietergefecht einstieg. 1988 wurden für die Rechte schon 40 Millionen DM erlöst. 1991 gilt als die Geburtsstunde des Pay-TV in Deutschland. Der Sender „Premiere“ übertrug damals als erster Anbieter Bundesligaspiele live, die nur zahlenden Abonnenten vorbehalten waren. Durch den Einstieg zusätzlicher Interessenten stieg der Wert der Übertragungsrechte bis zum heutigen Tag auf 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Wert durchaus noch höher ausgefallen wäre, wenn nicht die Corona-Krise an den Geldbörsen der TV Stationen geknabbert hätte. Natürlich haben die Vereine noch weitere Einnahmequellen, jedoch machen die Erlöse aus Ticketverkäufen oder dem Geschäft mit Fanartikeln nur einen geringen Teil des Gesamtumsatzes aus. Dementsprechend hoch ist die Abhängigkeit von den Fernsehgeldern. Die ganze Branche ist also auf Gedeih und Verderb der Tatsache ausgeliefert, dass Millionen Deutsche auch weiterhin bereit sind, für Fußball Geld zu bezahlen. Doch das System könnte irgendwann ins Schlingern geraten.
Die Entfremdung der Fans vom Fußball
Fußballfans neigen grundsätzlich dazu, nostalgisch zu sein. Oft genug wird die Phrase der „guten alten Zeit“ beschworen, in der ein Uwe Seeler trotz unmoralischer Angebote aus Italien seinem HSV treu blieb. Damals hatte eine Unterschrift unter einen Vertrag noch eine Bedeutung. Heute regelt diese lediglich noch die Höhe der Ablösesumme, wenn ein besserer Verein mit einem attraktiveren Angebot lockt. Doch auch Fußballfans wissen, dass sie das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen können. Man bekommt den Geist nicht mehr in die Flasche zurück. Und doch gibt es Grenzen. Wenn die Anstoßzeiten nicht mehr für die Bedürfnisse der reiselustigen Fans festgelegt werden, sondern für eine bessere Verhandlungsposition mit den Fernsehanstalten, die zahlungskräftige Kundschaft aus Fernost gewinnen möchten, dann ist dies eine genauso bedenkliche Entwicklung wie wenn Ölmilliardäre oder steinreiche arabische Prinzen Traditionsvereine aufkaufen und diese wahlweise als Anlageobjekt oder als Spielzeug sehen. Die Vergabe einer Fußballweltmeisterschaft in den Ölstaat Katar ist nur die Spitze des Eisbergs. Man kann die Kuh nur so lange melken, wie sie Milch gibt. Und es mehren sich die Anzeichen, dass die Quelle allmählich versiegen könnte.
Vergleich zu anderen Branchen
Diese Entfremdung lässt sich am besten mit einem Branchenvergleich illustrieren. Wenn das durchschnittliche Gehalt eines Bundesligaprofis etwa fünfzigmal höher liegt als die Verdienstmöglichkeiten eines Fachinformatikers, einer hoch spezialisierten Fachkraft – oft mit Studium – sprengt dies den Rahmen jeder Vorstellungskraft. Jeder kann sich lebhaft ausmalen, wie eine unterbezahlte Pflegekraft oder ein Leiharbeiter, der jeden Tag darum kämpfen muss, seine Rechnungen zu bezahlen, das Luxusleben der Profis auf dem grünen Rasen beurteilt.