Einfluss auf die sozialen und kognitiven Fähigkeiten mit Denkspielen

Jahrzehntelang haben Denkspiele die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen auf sich gezogen. Hervorstechende Forschungsgebiete beziehen sich auf das menschliche Verhalten beim Spielen sowie auf den Einfluss des Spielens auf die kognitiven Funktionen. Die Beispiele Schach, Go und Poker zeigen, wie das Spielen die sozialen und mentalen Fähigkeiten schulen. 

Schach

Schach ist einer der ältesten Brettspiele der Welt. Seit dem 6. Jahrhundert ist seine Existenz in Persien belegt. Das Spiel gelangte im 9. Jahrhundert über das maurische Spanien, Italien und das Byzantinische Reich nach Mitteleuropa und wurde dort im Hochmittelalter eine der sieben Rittertugenden. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich das Königsspiel in Europa zum populären Gesellschaftsspiel, das in zahlreichen Kaffeehäusern und Clubs als intellektueller Zeitvertreib gespielt wurde. Gleichzeitig erfolgte die Gründung der ersten Schachvereine und die Organisation von nationalen und internationalen Turnieren. Damit entwickelte sich Schach nach und nach von einer beliebten Freizeitbeschäftigung zum international anerkannten Denkspiel.

Schach fasziniert seit langem die Intelligenzforschung. Denn es ist ein hochkomplexes Brettspiel, das aus einfachen Regeln besteht, aber beim Spielen eine unendliche Anzahl an Möglichkeiten bietet. Bereits der französische Psychologe und Pionier der Intelligenzforschung Alfred Binet interessierte sich in seiner Arbeit für das Schachspiel. Er untersuchte Blindschachspieler im 19. Jahrhundert und stellte fest, dass sie eine außergewöhnlich gute räumliche Vorstellungskraft und Erinnerungsfähigkeit besitzen. Auch heute sind viele Forscher und professionelle Schachspieler von den positiven Effekten des Schachspiels überzeugt. Es stärkt die Soft Skills und unterstützt beispielsweise die Konzentrationsfähigkeit, weil Spieler lange Zeiten am Spieltisch ausharren müssen. Darüber hinaus fördert es die Entscheidungsfindung unter Zeitdruck, Voraussicht über mögliche Entscheidungen der Gegenspieler sowie sehr viel Frustrationstoleranz. 

Poker

Das moderne Poker entstand in New Orleans des 19. Jahrhunderts und verbreitete sich von dort auf alle Kontinente. Lange Zeit hatte es einen Ruf als Kneipenspiel. Das Image änderte sich in den 1970er Jahren, als die World Series of Poker erstmals im Fernsehen übertragen wurde. Die Begegnungen der professionellen Spieler zeigten den Menschen die Komplexität des Pokers und unterstrichen, welchen mentalen Herausforderungen sie ausgesetzt waren. Einen regelrechten Boom erlebte Poker in den 2000ern. Anlass dafür waren die ersten Turniersiege von Amateurspielern, die nach der Digitalisierung des Kartenspiels über Online-Qualifikationen Zugang zu internationalen Turnieren erhielten. 

Heute wird das Spiel nicht nur als beliebtes Freizeitspiel, sondern auch als Denksport anerkannt. Es ist gar ein wichtiges Tool in der Forschung der Spieltheorie, die als Teilgebiet der Mathematik Entscheidungssituationen modelliert, in denen mehrere Beteiligte miteinander interagieren. Zum Beispiel gehören laut Pokerspieler mathematische Kenntnisse zu den wichtigsten Fähigkeiten, die für den Erfolg am Spieltisch erforderlich sind. Das Wissen über Blatt-Odds und Pot Odds gibt Hinweise darauf, wann das Spiel beendet und fortgesetzt werden muss. Zudem ist Poker ein stark intuitives Spiel, das dabei hilft, über Gestik und Mimik sowie über die Atmosphäre im Raum Menschen zu lesen. 

Denkspiele

Go

Deutlich komplexer als Schach und Poker ist das Brettspiel Go. Die genauen Ursprünge des asiatischen Spiels sind ungeklärt, doch erste Erwähnungen tauchen in geschichtlichen Schriften bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. auf. Experten gehen davon aus, dass Go sich von China aus im ganzen ostasiatischen Raum ausgebreitet hat. Besonders in Korea und Japan entstand eine lebendige Go-Kultur, die bis heute akribisch gehegt und gepflegt wird. Nach Europa kam das Spiel in den 1880ern durch eine Artikelserie des deutschen Chemikers Oskar Korschelt. In den meisten nicht-asiatischen Ländern etablierte sich das Spiel aber erst ab den 1950er Jahren.

Go hat an sich keine komplizierten Spielregeln. Dennoch ist es ein äußerst komplexes Brettspiel, weil die potenziellen Entwicklungen des Spielverlaufs so vielfältig sind, dass es sehr viel Übung erfordert, um in Go zu siegen. Spieler müssen eine hervorragende statistische Auffassungsgabe vorweisen, damit sie aus zahlreichen wahrscheinlichen Spielzügen nützliche Informationen über den Gegenspieler erhalten. Auch in anderen mentalen Bereichen stechen Go-Spieler hervor: Eine Studie an der Universität Trier zeigt, dass gut trainierte Spieler besser darin sind, die Gedanken und Absichten anderer zu erkennen und deren Handlungen zu erahnen. Außerdem neigen sie deutlich stärker zu kognitiv reflektiertem Handeln als Durchschnittsmenschen. 

Demnach haben Denkspiele unterschiedliche Auswirkungen auf das soziale Verhalten und auf die Kognition des Menschen. Wer sich an die Spiele Schach, Poker und Go wagt, stärkt eine Reihe von kognitiven und sozialen Fähigkeiten auf eine spielerische Art und Weise. Dies kann auch in anderen Bereichen des Lebens hilfreich sein, Problemsituationen mit Bedacht und Reflektion anzugehen.